„Langer Marsch“ für „Göttliches Schiff“

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Am 1. November um 5.58 Uhr Ortszeit brachte das chinesische Raumschiff Shenzhou-8 „Göttliches Schiff“ vom chinesischen Weltraumbahnhof Jiuquan ein weltraummedizinisches Experiment der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) in die Erdumlaufbahn. Der Magdeburger Weltraumbiotechnologe Prof. Oliver Ullrich konnte den Start der 51 Meter großen und etwa 460 Tonnen schweren chinesischen Trägerrakete „Langer Marsch 2F“ aus nur wenigen hundert Meter Entfernung miterleben.
Das Magdeburger Projekt gehört zu sieben vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ausgewählten deutschen Experimenten, die mit dieser Mission Raumfahrtgeschichte schreiben dürfen. Denn erstmals kooperiert die chinesische Raumfahrtorganisation CMSEO (China Manned Space Engineering Office) mit einer anderen Nation und erstmals dürfen ausländische Wissenschaftler, wie auch Prof. Oliver Ullrich und sein Team, das chinesische Kosmodrom Jiuquan betreten und dort arbeiten. Das Raumschiff Shenzhou-8 wird knapp drei Wochen im All bleiben.
Die imposante Rakete, die mit dem Magdeburger Experiment an Bord als erstes Teil an die chinesische Weltraumstation andockte.
Foto: dpa

Das Magdeburger Forschungsprojekt untersucht, wie sich die molekulare Architektur menschlicher Fresszellen nach einem mehrtätigen Aufenthalt in Schwerelosigkeit verändert und ob sie danach noch in der Lage sind, ihre Funktion zu erfüllen. Das Immunsystem wird auf einem Raumflug stark beeinträchtigt und setzt daher dem Aufenthalt des Menschen im All bisher klare Grenzen. Die Ursache dieser Störung liegt wahrscheinlich auf Ebene der Zellen. Bei Parabelflügen mit Schwerelosigkeitsphasen von jeweils 22 Sekunden und bei Versuchen auf einer Höhenforschungsrakete mit fünfminütiger Schwerelosigkeit hat der Weltraumbiotechnologe Oliver Ullrich herausgefunden, dass die Zellen des menschlichen Immunsystems bereits innerhalb von Sekunden auf den Wegfall der Schwerkraft reagieren.
Das Magdeburger Projekt wird in einer in Deutschland von EADS Astrium entwickelten Experimentapparatur (SIMBOX, Science in Microgravity Box) durchgeführt.
Die Shenzhou-8-Mission ist auch ein Meilenstein für die bemannte chinesische Raumfahrt. Die Mission dient dem Aufbau einer chinesischen Raumstation, die um 2020 voll funktionsfähig sein soll. Zwei Tage nach dem Start wurde Shenzhou-8 an das erste Modul der im Aufbau befindlichen chinesischen Raumstation „Tiangong-1“ (Himmelspalast) angekoppelt. Nach 17 Tagen im All wird Shenzhou-8 wieder abdocken und in China landen. Die Proben aus Magdeburg werden durch Hubschrauber-Suchteams geborgen und nach Peking transportiert, von wo sie die Heimreise antreten werden.
Bereits im April hatte aspekt über die Experimente von Professor Ullrich berichtet. Zusammen mit einigen Studenten hatte Professor Ullrich da ein Experiment entwickelt, das erste biomedizinische Experiment der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg für die Weltraumforschung, das dann in 270 Kilometer Höhe für fünf Minuten der Schwerelosigkeit ausgesetzt war. Die unbemannte Forschungsrakete TEXUS-49 als Höhenforschungsrakete startete damals vom schwedischen Weltraumbahnhof Estrange bei Kiruna, 150 Kilometer nördlich des Polarkreises. Vier Jahre lang hatten er und seine Helfer den Versuch vorbereitet.
Der Magdeburger Weltraumbiotechnologe will herausfinden, warum menschliche Zellen des Immunsystems in der Schwerelosigkeit versagen. Dazu hat er bereits wichtige Erkenntnisse bei acht Parabelflugkampagnen gewonnen. Dabei fliegt ein Airbus bestimmte Flugmanöver und löst so für mehrere Sekunden Schwerelosigkeit aus. „Die Immunzellen reagieren innerhalb von Sekunden auf den Wegfall der Schwerkraft“, weiß Oliver Ullrich inzwischen. „Bei den Versuchen mit der Rakete wollen wir klären, ob die angeschobenen Prozesse sich fortsetzen.“
Weltweit bereiten die Raumfahrtnationen einen Flug zum Mars vor. „Ein solcher Flug dauert hin und zurück über 500 Tage. Vorher muss unbedingt geklärt werden, warum das Immunsystem ausfällt und wie dem medizinisch entgegengesteuert werden kann“, erklärt der Mediziner. „Möglicherweise finden wir aber auch heraus, dass der Mensch sich gar nicht für längere Zeit vom Erdorbit entfernen kann, weil wir genetisch auf ein Leben auf der Erde programmiert sind.“

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